Irrungen und Wirrungen par excellence Empfehlung

Olivia (Katharina Hauter) spricht mit Cesario/Viola (Paula Skorupa) Olivia (Katharina Hauter) spricht mit Cesario/Viola (Paula Skorupa) Fotos: Toni Suter

Was für ein Spaß. Was für ein Vergnügen mit Niveau. Was will man mehr als diese Inszenierung der Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ am Schauspiel Stuttgart durch Burkhard C. Kosminski.

   Was braucht es mehr zur Bühnengestaltung (Florian Etti) als drei rote Tuchbahnen und ein verspiegeltes Gittergerüst, wenn man so ein brillantes Personal auf die Bretter, die die Welt bedeuten, stellen kann. Gerade der große angelsächsische Dramatiker kennt sich mit dieser Welt aus, wie kein zweiter. Entsprechend zeitlos ist diese Komödie, in der nur das Wort und das Spiel zählen, bis in unsere Tage. Mit hohem Lustgewinn.

   Natürlich überschlagen sich wieder die Irrungen und Wirrungen. Wer liebt hier wen? Und wer möchte von wem geliebt werden - oder liebt sich ganz gefühlsökonomisch einfach selbst? Ein Spiegel voller Fragen, der noch bevor es optisch durch die Installation auf der Bühne geschieht, dem Publikum im Foyer durch den mit bayerischem Akzent plaudernden omnipräsenten Narren (Felix Strobel) vorgehalten wird. Komm sprich, wir sitzen mit unseren Gefühlshaushalten alle im selben Boot.

   Der Rest ist nicht Schweigen, sondern zielgenaues Aneinander vorbeireden, tarnen und täuschen, Begehren und Liebeschmerz immer im Schlepptau dabei. Wie die Schleppe, die Gräfin Olivia zu Beginn ganz dunkel gewandet hinter sich herzieht. Später sieht man das selbstgefällig in sich selbst verliebte Geschöpf, dem Katharina Hauter differenziertes Profil verleiht, kleidungsmäßig bis auf die Unterwäsche und das Gerüst eines Reifrocks symbolisch abgerüstet.

   Eine persönliche Tragödie macht  Olivias Haushofmeister Malvolio durch. Dem herrischen, arroganten Kerl wischen Olivias Kammerfrau Maria, der Narr und Olivias dauerbetrunkener Onkel Sir Toby Belch („Es tut mir in der Seele weh, wenn ich vom Glas den Boden seh“) eins aus, indem sie ihn durch einen fingierten Brief Glauben machen, die Gräfin sei ihm zugetan. Sein Monolog, den er in Gestalt des großartigen Matthias Leja bei der Lektüre des Schreibens von sich gibt, seine gesuchten Interpretationen - das zählt zu den darstellerischen Höhepunkten dieser Aufführung.

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Zuständig für die heiteren Momente: (v.l.) Christiane Roßbach (Maria), Anke Schubert (Sir Toby Belch), Klaus Rodewald (Sir Andrew Aguecheek), Felix Strobel (Narr)

   Die zentrale Figur dieser Inszenierung spielt Paula Skorupa in ihrer Hosenrolle. Wie sie ihr für den Herzog heftig schlagendes Herz unterm Sakko versteckt, rührt einen in ihrer Intensität an. Sie hat die Fäden bis an den Rand der Verzweiflung in der Hand. Für die heiteren Momente, für Situationskomik und Slapstickelemente sorgen Anke Schubert als Sir Toby mit heraushängender Wampe (ein Hoch auf die für die Kostüme verantwortliche Ute Lindenberg), Klaus Rodewald als zackig-dümmlicher Sir Andrew Aguecheek und die Christiane Roßbach als Olivias resolute Kammerfrau Maria. Boris Burgstaller verkörpert zwei Kapitäne.

   Dass Olivia zum guten Schluss Violas Zwillingsbruder Sebastian zum Traualtar führt, kann man nachvollziehen; dass Viola indes dem als Orsino ziemlich blassen Peer Oscar Musinowski in die Arme sinkt, eher weniger. Allerdings war der Herzog wirklich nur eine Nebenrolle. Mit Lejas Malvolio muss man indes rechnen. Nachdem er wegen seines gockelhaften Auftretens gegenüber der Gräfin aus dem Verkehr gezogen worden war, schwört er nach seiner Freilassung „Rache“. Und über das Ende der Komödie weht der bitterkalte Hauch des Dramas. Was das Publikum im ausverkauften Haus nicht davon abhält, lange und rhythmisch zu applaudieren. 

   Info: Nächste Aufführungen unter www.schauspiel-stuttgart.de

Wolfgang Nußbaumer

(26.11.2023)      

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