Traumboot der Hoffnung? Empfehlung

Auf diesem Schlauchboot haben 2016 rund 160 Flüchtlinge die Überfahrt von Libyen nach Malta gewagt.  Auf diesem Schlauchboot haben 2016 rund 160 Flüchtlinge die Überfahrt von Libyen nach Malta gewagt. Fotos: -uss

Schuhe stehen auf zwei Tafeln. Kleine Schlappen, Plastiksandalen, Stiefelchen für ganz kleine Füße, Schuhwracks, mit denen keiner von uns einen Schritt wagen würde.

   Die Bretter mit ihnen hängen an einer Wand im Schloss Untergröningen. Mit freiem Blick hinab auf das sonnenbeschienene Kochertal. Die Geschichten, die diese Schuhe erzählen könnten, manifestieren sich in der Ausstellung „IDENTITY – Kunst sucht Heimat“. ENTITY bedeutet Einheit, Gesamtheit, Dasein - aber auch Objekt. Über allem steht der Begriff „Flucht“.

   Auf 1000 Quadratmetern hat Kuratorin Heidi Hahn mit Respekt und Empathie Dokumente und Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern platziert, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten und in Deutschland eine neue Bleibe gefunden haben. Ob es auch ihre neue Heimat werden könnte?

   Flucht, was bedeutet sie. Trifft sie immer nur die anderen – oder wiegen wir uns in unserer Wohlstandsgesellschaft zu sehr in Sicherheit? Das Tempo, mit dem sich autokratische Regimes ausbreiten, gebe durchaus zur Sorge Anlass, wie der Vorsitzende des Kunstvereins KISS, Martin König, anmerkt.

   Deshalb hat diese Ausstellung, in der Heidi Hahn Bilder, Fotografien, Collagen, Videos und plastische Werke von kreativen Menschen aus den verschiedensten Kulturen zusammengetragen hat, mehrere Ziele. Sie möchte mit den Exponaten betroffen machen und die Betrachterinnen und Betrachter anregen, über die Zusammenhänge von Flucht und Vertreibung nachzudenken.

HH.jpg

Die Kuratorin Heidi Hahn erläutert anhand der Exponate ihre Konzeption.

 

   Stoff hat sie dafür genügend aufbereitet und zum Teil hautnah inszeniert. Wer in einen Raum mit Taschen möchte, die aus den Resten von Schlauchbooten angefertigt worden sind, muss sich am mächtigen Bug eines in den Flur gezwängten Bootes vorbei drängen.  2016 hat es rund 160 verzweifelte Menschen 400 Kilometer aus Libyen nach Malta getragen. Nicht alle haben das Ziel erreicht. In seinem Heck riecht es noch muffig.

   Zwischen den kleinen Schuhen,dem riesigen Boot und einer Wände füllenden Fotografie des zerstörten Aleppo trifft das Auge auf viel Buntes. Manches rot wie Blut. Irritiert tastet man sich durch die Kälte eines schwarzen Kabinetts, muss den Gang durch einen Container wagen, der Menschen mit dem Pech der Geburt in einem armen oder despotischen Land mal als Transportmittel gedient hat  - und landet schließlich in einem Studio mit Burkas, Tschadors und anderen Kleidern, die ihre Trägerin vor der Außenwelt verbergen.

    Ob sie dem Publikum damit nicht zu viel zumute, grübelt die Kuratorin. Nein, denn sie macht damit den sehr ernst gemeinten Versuch, den Menschen, von denen viele erst in Deutschland begonnen haben, ihre schweren Traumata durch die Kunst zu verarbeiten und dabei oft Erschütterndes preisgeben,  ihre Würde zurück zu geben.

Karikatur.jpg

     Neben bekannten Künstlern wie Faisal Adil Fahar al Salih aus dem Irak oder dem Nigerianer Chidi Kwubri, der bereits das MISEREOR-Hungertuch gestaltet hat, ist auch der syrische Cartoonist Hussam Sarah dabei, der für seine politischen Karikaturen in seiner Heimat und deren Nachbarländern verfolgt worden ist.

  Info: Die Ausstellung „IDENTITY“ wird am Donnerstag, 29. November, um 19 Uhr eröffnet. Sie ist eingebunden in das Rahmenprogramm des Jubiläums „30 Jahre Flüchtlingsrat Baden-Württemberg“. Bei der Umsetzung der Ausstellungsidee haben der Kunstverein KISS und seine Kuratorin Heidi Hahn, die zugleich dessen 2. Vorsitzende ist, mit der UNO-Flüchtlingshilfe, Seawatch, Mimycri Berlin, Amnesty International und der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen zusammengearbeitet. Einen ungewöhnlichen musikalischen Akzent wird der blinde Geiger Ahmad Ahmad aus Damaskus setzen, der Vater des „Pianisten, der aus den Trümmern kam“, Aeham Ahmad. Sie ist bis 26. Dezember, sonntags von 11 bis 17 Uhr, Samstag, 1. 12. von 16 bis 19 Uhr, 8. und 15. 12 von 19 bis 21 Uhr sowie am Mittwoch, 26. 12. von 11 bis 17 Uhr.  Anmeldung für Gruppen und zu Führungen unter info@kiss-untergroeningen.deoder Tel. 07366 8218. 

Wolfgang Nußbaumer 

Nach oben

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.