Zwei aufrechte Demokraten

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Die Biografie von Irmtrud Wojak bringt Fritz Bauer in all seinen Facetten näher. Die Biografie von Irmtrud Wojak bringt Fritz Bauer in all seinen Facetten näher.

Was haben Fritz Bauer und Eugen Bolz gemeinsam?

Der frühere sozialdemokratische hessische Generalstaatsanwalt mit jüdischen Wurzeln und der württembergische Staatspräsident und katholische Zentrumspolitiker? Beide sind Schwaben, beide sind in Stuttgart ans Gymnasium gegangen, beide sind Juristen - und beide waren sich in der Einschätzung des NS-Regimes einig. So hat Bolz bereits 1934 in seinem Aufsatz "Katholische Aktion und Politik" festgestellt: „Bei offensichtlichem und dauerndem Missbrauch der Staatsgewalt besteht ein Notwehrrecht des Volkes.“ Im sogenannten Remer-Prozess 1952 in Braunschweig hat Fritz Bauer postuliert: „Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr.“ Durch diesen Prozess sind die NS-Widerstandskämpfer - und damit auch Eugen Bolz - rehabilitiert worden. (Der ehemalige Generalmajor Ernst Otto Remer hatte die Freiheitskämpfer um Claus Graf Stauffenberg als "Landesverräter" verunglimpft.)

    Ohne Fritz Bauer hätte es die Auschwitz-Prozesse Anfang der 1960er-Jahre und damit den ersten ernsthaften Versuch, die Schandtaten des NS-Terrorregimes und seiner Helfershelfer aufzuarbeiten, nicht gegeben. Der gebürtige Stuttgarter hatte dabei mit großen Widerständen zu kämpfen, weil der gesamte Justizapparat noch von den furchtbaren Juristen der Nazizeit durchsetzt war. Übrigens ist der Ellwanger Künstler Karl-Heinz Knoedler durch diesen Prozess zu einer zeichnerisch großartigen Serie von erschütternden Schwarzweiß-Arbeiten bewegt worden.

   Fritz Bauer, der 1968 gestorben ist, hat inzwischen auf vielfältige Weise, darunter zwei Spielfilme, die verdiente Würdigung erfahren. Vor wenigen Tagen ist sein ehemaliges Büro im Frankfurter Landgericht in Fritz-Bauer-Saal umbenannt worden. Ziemlich spät, aber immerhin. "Er hatte ein Herz. Das Humane war für ihn die eigentliche Triebkraft, ein guter Jurist zu sein," hat der Politologe Jürgen Seifert Fritz Bauer gewürdigt. Bauers Großeltern stammen übrigens aus Ellwangen/Jagst. 

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     Für den im Januar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichteten Eugen Bolz galt ein anderes ethisches Postulat. Sein Wahlspruch lautete: "Die Ehrfurcht vor Gott ist der Anfang der Weisheit." Ihn hat die Eugen-Bolz-Realschule Ellwangen (EBR) auf der Einladung zur Eröffnung eines Eugen-Bolz-Raumes in der Schule zitiert. Es entbehrt nicht der Ironie, dass die EBR nach ihrer Gründung im Kollegium von sozialdemokratischem Geist erfüllt war. Genosse war auch der schon erwähnte Karl-Heinz Knoedler, der für das Foyer der Schule eine Stele aus Bronze geschaffen hat. Oswald Grässle, Bernhard Koch, Herbert Hieber und Dieter Ulmer, um nur einige Namen zu nennen, haben den Kontakt zur Tochter des württembergischen Staatspräsidenten, Mechthild Rupf-Bolz, geknüpft und über die Jahre hinweg aufrecht erhalten. Dieser Vertrauen schaffenden Verbindung ist es letztlich zu verdanken, dass die Möbel des einstigen Arbeitszimmers in der nach ihrem Tod abgerissenen Villa auf dem Killesberg in Stuttgart über den Geschichts- und Altertumsverein Ellwangen in die EBR gelangt sind.

   Dort sollen nun in einem Erlebnisraum die Schülerinnen und Schüler dauerhaft an Bolz' wertvollsten Nachlass erinnert werden: "das demokratische Denken und Handeln." Zu Recht ist der Zentrumsmann und überzeugte Katholik unter anderem auf einer Briefmarke als "Aufrechter Demokrat" gewürdigt worden. In einem Wikipedia-Beitrag kann man indes lesen, dass bereits ein Seligsprechungsverfahren für den ermordeten Politiker läuft, als Blutzeuge aus der Zeit des Nationalsozialismus in das "Deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts" aufgenommen zu werden. Der Festredner bei der Feier in der EBR, Dr. Andreas Schaller, soll sich direkt beim Diözesanrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart um dieses Verfahren kümmern.

   Diese Vereinnahmung des ehemaligen Staatspräsidenten als Märtyrer ist durchaus umstritten. Eugen Bolz wurde ja nicht ein Opfer seines Glaubens, sondern enthauptet, weil er als aufrechter Demokrat zu dem Widerstandskreis um Carl Goerdeler Kontakt geknüpft hatte. Deshalb hat er wie Fritz Bauer jede überkonfessionelle, demokratische Ehrung verdient. Ohne Seligsprechung taugt er für weit mehr Menschen als Vorbild. Ein anständiger Mensch und aufrechter Demokrat braucht kein frommes Etikett, noch die Stilisierung zum Blutzeugen für seinen Glauben.

    Der schwäbische SPD-Mann und hessische Generalstaatsanwalt hätte ohnehin keine kirchliche Instrumentalisierung befürchten müssen. Der Jude Bauer war erklärter Atheist.

 

Wolfgang Nußbaumer       

 

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