Die Zeit hält inne Empfehlung

Barbara Karsch-Chaïeb und Gerd Kanz fühlen sich in der Galerie des Kunstvereins Ellwangen sichtlich wohl. Barbara Karsch-Chaïeb und Gerd Kanz fühlen sich in der Galerie des Kunstvereins Ellwangen sichtlich wohl. Foto: -uss

Wer Entspannung durch gehaltvolle Ästhetik sucht, dem bietet der Kunstverein Ellwangen mit seiner aktuellen Ausstellung die ideale Gelegenheit.

"timelessness" lautet der etwas sperrige Titel für die schöne Schau mit Arbeiten von Barbara Karsch-Chaïeb und Gerd Kanz. Die Zeitlosigkeit ihrer Kunst beruht auf dem verwendeten Material und dem Ergebnis selbst. Die in Stuttgart lebende Künstlerin verwendet zu Mehl gemahlenen, mehrere 100 Millionen Jahre alten Marmor und kaum weniger altes Ölschiefergranulat für ihre zum Teil monochromen Mal-Werke und Installationen. Das Gestein steht für die Ewigkeit, die Zeitlosigkeit bedeutet. In galaktischen Dimensionen gedacht, dauert diese "Ewigkeit" zwar nur einen Wimpernschlag - für uns Sterbliche indes eine unendlich lange Zeit. Indem Barbara Karsch-Chaïeb die alten Steine in Kunst überführt, also instrumentalisiert, nimmt sie ihnen jedoch die Aura des Ewigen. Zugleich drückt sie ihnen das Siegel der Zeitlosigkeit auf. Denn strebt ernsthafte Kunst nicht nach unvergänglicher Wertigkeit?

Soweit das Spiel mit der Zeit. Auf der Metaebene verweisen ihre Werke auf die Umweltzerstörung, auf den Raubbau an der Natur und ihren Ressourcen. Auf den Kahlschlag, der letztlich die Menschheit beendet. Dann wäre es zu spät für den faustischen Wunsch nach dem Augenblick, der verweilt - und damit zeitlos wird. In ihren Werktiteln gibt die Künstlerin Hilfestellung. Mit "Schneegrenze" assoziiert man schmelzende Gletscher und steigende Meeresspiegel. Land unter. 

In ihrer Erläuterung zu den Arbeiten jonglierte die auf die Erforschung des Zeitaspekts in der Kunst spezialisierte Kunstwissenschaftlerin Dr. Hannelore Paflik-Huber mit den Metaphern und Symbolen für den unaufhörlichen Fluss der Zeit. Die Erinnerung, das Wachsen und Vergehen, Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Und welche Rolle spielt die Kunst dabei? Sie kann "die Zeit umkehren". Wer sie umkehrt, muss sie zunächst anhalten. Im Kunstwerk, das wiederum in seiner schöpferischen Tradition auf die Vergangenheit verweist - bis es selbst Geschichte wird. Im Idealfall, wie gesagt. Die Schöpfungen von Barbara Karsch-Chaïeb und Gerd Kanz haben das Zeug dazu.

Im Zusammenspiel mit dem archaisch-wuchtigen Duktus der großen Werke seiner Kollegin verleihen speziell die plastischen Arbeiten von Gerd Kanz dieser Ausstellung ihr Flair der Entschleunigung. Geht man vom Raum 1 durch die luftige barocke Zimmerflucht wird es einem zunehmend leichter ums Herz. Man fühlt sich geborgen. Mag es an den üppig farbgesättigten Holzreliefs des gebürtigen Franken liegen, die einem die Begriffe Baum und Wurzel nahelegen, oder an den selbstbewusst hoch ragenden Gittertürmen und einem mit seinen übereinander geschichteten Torformen förmlich aus der Wand heraus dringenden Objekt? Letzteres mit seinem maurischen Duktus könnte allerdings auch die umgekehrte Richtung weisen, hinein in die Wand, die so zum Geheimnisträger wird.

Ähnlich verhält es sich mit seinen Holzarbeiten. Wenn Kanz sich mit seinen Malwerkzeugen in die Schründe und Abgründe des Holzes hineinwühlt, bohrt er nicht nur im Wortsinn dicke Bretter; er dringt bei seiner Schürfarbeit zu den Wurzeln vor, zum Wesen des Wachstums. Back to the roots. Gleichzeitig fördert er zu Tage. In dieser Vorgehensweise gleicht er Barbara Karsch-Chaïeb. Beide verbinden Geschichte und Gegenwart mit einer Mahnung für die Zukunft. Nicht als Menetekel mit dem Holzhammer, sondern auf die feine mitmenschliche Art.

Kein Wunder, dass auch Bürgermeister Volker Grab ins Schwärmen geriet: "Ich find's richtig klasse, hier durch zu gehen." Dem Kunstverein bescheinigte er, Herausragendes zu leisten. Dort wird man seine Ankündigung gerne vernommen haben, dass der Lift im Innenhof noch im Dezember in Betrieb gehen werde. Der 2. Vorsitzende Manfred Baumhakl appellierte einmal mehr an die Stadt, in einer Information auf dem Marktplatz auf die Galerie des Kunstvereins und auf das Schlossmuseum als wichtige kulturelle Institutionen hinzuweisen.

Wolfgang Nußbaumer  

Info: Die Ausstellung "timelessness" im Schloss ob Ellwangen ist bis 20. August Samstag von 14-17 Uhr sowie Sonn- und Feiertag von 10.30-16.30 Uhr geöffnet. 

 

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