Paradoxe Schönheit

Paradoxe Schönheit Foto: jow

 

Im Rhythmus der Natur schwingen die Papierarbeiten von Hannelore Weitbrecht.

Zum ersten Mal widmet die Galerie Zaiß in Aalen der in Kirchheim unter Teck lebenden Künstlerin eine eigene Ausstellung. Der Besuch lohnt sich. 

In der Ruhe liegt die Kraft. Dieses abgenutzte Etikett gewinnt im Angesicht der Weitbrecht-Objekte selbst neue Kraft. Eigentlich sind diese farblich ganz zurückgenommenen Werke ein Paradoxon schlechthin. Mit Papier assoziieren wir üblicherweise vergängliche Leichtigkeit; ein empfindlicher Stoff, der behutsamen Umgang verlangt. Ein Stoff auch, der gerne als Metapher, als Symbol verwendet wird.

    Was unterscheidet Hannelore Weitbrechts „Tanzende Blüten“ und „Blütenkreise“ von einem Papierdrachen? Das bedrohliche Fabelwesen mutiert zum luftigen Spielgerät mit Absturzoption. Die Objekte aus gewachstem Pergamentpapier und Fundstücken aus der belebten Natur (Samen, Fruchtstände, Hülsen und Hüllen, Muschelschalen)  signalisieren dagegen in ihrer unaufdringlichen Beharrlichkeit auf der Metaebene ein tiefes Wissen um Werden und Vergehen und formal eine hohe ästhetische Intelligenz.  Ihr Kern ist philosophisch. Und damit das Ganze immens nachhaltig.

    Ohne Papier gäbe es keine umfassende Information, keine Bildung, keine Dichtung – keine Digitalisierung. Das nur aus Einsen und Nullen bestehende Zahlensystem hat der Universalgelehrte Leibnitz bereits Ende des 17. Jahrhunderts erfunden. Auf Papier.

     Weitbrechts Umgang mit diesem Werkstoff fußt auf Respekt. Und Neugier. Mit diesen beiden emotionalen Komponenten und bravouröser Technik verwandelt sie die Vergänglichkeit in einen sicheren Wechsel auf die Zukunft. Ihre Welterfahrung ist ihr dabei eine reiche Ideenquelle. Die Kaskadenstruktur des Uracher Wasserfalls steht Pate für die bewegte vertikale Anordnung der blassen Pergamente. Ein Wasserfall im übertragenen System als Trägersystem für Papierkunst – noch so ein Paradoxon.

    Der selbstbewusste Charme des Zerbrechlichen basiert auf dessen kompakter Anordnung. Robuster Feinsinn, feinsinnige Robustheit? Auf jeden Fall überwältigend schön.

                                                                                                                                        John Wolf

 

Info:  Die Ausstellung in der Galerie Zaiß ist bis 18. Dezember Mi-Fr/So 15-18 Uhr zu sehen.  Am Sonntag, 11. Dezember, spricht die Herausgeberin der Literaturblattes Baden-Württemberg, Irene Ferchl, über „Ich, Feder, Tinte und Papier“.              

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