Zartbitter Empfehlung

  • geschrieben von  asaw
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Zartbitter
Der Gschwender Musikwinter war im Rahmen einer neuen Kooperation mit dem Remsparkhotel erstmals zu Gast in Gmünd. Die Reihe Kulinarisch Literarisch bot den entsprechenden Rahmen.
   "Chocolat", der Bestseller von Joanne Harris, bekannt geworden durch die Verfilmung mit Juliette Binoche, stellte das passende Bindeglied her zur Gastronomie. Das Restaurant im 7. Stock bot einen grandiosen Ausblick über die Stadt, die im adventlichen Lichterglanz erstrahlte.
   Die 80 Gäste erwartete ein wunderbares Märchen, das mit seinen Bildern und Farben alle Sinne ansprach. Die Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer versprühte Charme und gute Laune. Sie las ausgewählte Auszüge aus dem Roman. Die Zuhörer konnten so dem roten Faden gut folgen und lauschten gebannt ihrer angenehmen Stimme.
   Im gedämpften Licht des Restaurants angeregtes Stimmengemurmel der Gäste, das augenblicklich verstummte, sobald die Schauspielerin über die Ankunft der jungen Frau Vianne mit ihrer kleinen Tochter Anouk in einem Dorf in der französischen Provinz las. Die farbige Kleidung der Ankömmlinge wirkt exotisch in dem tristen Grau des Ortes. Gegensätzlicher hätte der Kontrast zwischen der lebensfrohen optimistischen Vianne, die selbstbewusst ihren Weg geht, und den Dorfbewohnern gar nicht sein können. Der Antrittsbesuch des Dorfpfarrers im Ladenlokal gegenüber seiner Kirche, das Vianne gerade säubert und tüncht, bringt zwei konträre Weltanschauungen in Stellung.
   Eine Chocolaterie will die junge Frau eröffnen und das auch noch zu Beginn der Fastenzeit. Der Pfarrer riecht förmlich den Schwefelgestank und sieht die hämisch grinsende Fratze des Bösen, der ihm mit sündigem Genuss seine frommen Seelen abspenstig machen will.
   Ein Apéritif und ein Amuse geule regen die Genussknospen der Gäste an. Inzwischen hat Vianne ihre in frischen Farben erstrahlende Chocolaterie „La celeste praline“, die himmlische Praline, eröffnet. Im eiskalten Nieselregen strömen die Kirchgänger mit mürrischen Gesichtern der Kirche zu. Der Pfarrer verteufelt die unschickliche Nachbarschaft von der Kanzel.
   Im Restaurant wird Jakobsmuschel auf Apfel-Radieschen-Salat serviert. Ein köstliches Maronen-Trüffel-Süppchen, über das die Kellner Schokolade raspeln, folgt als nächster Gang. In der Erzählung weichen die verhärteten Fronten langsam auf. Einzelne Mutige wagen sich in die himmlischen Genuss verheißende Konfiserie und erleben eine Öffnung der Sinne und des Gemüts. Die Schokoladensauce im Charles Restaurant reicht zwar nicht ganz an die geschmackliche Ausgefeiltheit des originalen Maya-Rezeptes heran, vermittelt aber doch ein eindrucksvolles Erlebnis von der Lebensfreude im Märchen.
 
Helga Widmaier
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