Ganz in Weiß Empfehlung

"Das Königreich der Schatten" mit Elisa Badenes, Adhonay Soares da Silva und dem Ensemble. "Das Königreich der Schatten" mit Elisa Badenes, Adhonay Soares da Silva und dem Ensemble. Foto: Stuttgarter Ballett
 
 
Der neue Stuttgarter Ballett-Intendant Tamas Detrich startet mit einer Retrospektive.
   Sein Vorgänger Reid Anderson hatte sich mit einer Verneigung vor dem großen Meister, der das Stuttgarter Ballett zu internationalem Ruf geführt hatte, verabschiedet. Nun greift der neue die Cranko-Apotheose ebenfalls auf. Die Würdigung einer großen Tradition zu Beginn einer Ära mag dem Respekt geschuldet sein. Beschwört er nun den Geist des genialen Magiers herauf für eine Fortschreibung des Werkes? Ist es ein sicher scheinender Griff in das Schatzkästchen, dem die Stuttgarter ihr Renommee auf der internationalen Ballettbühne verdanken oder kaschiert die Evozierung der Vergangenheit nur den Mangel an innovativen zeitgemäßen Ideen?
 
   Das Stuttgarter Ballett träumte und spann sich ganz in Weiß ein. Ästhetik pur. Die Augen konnten schwelgen bis sie übergingen. Der dreiteilige Ballettabend unter dem Motto Shades of White zeigte tänzerische Höchstleistungen der Solotänzer und ein Corps de Ballet, das überwiegend in beachtlicher Form auftrat.
 
   Mozarts Konzert für Flöte und Harfe hatte John Cranko seiner Choreographie für 12 Tänzer und 2 Ballerinen zugrunde gelegt. Der Meister des Handlungsballetts schuf hier eine abstrakte konzertante Inszenierung mit diffiziler Fußarbeit, leicht wirkender schöner Haltung des Oberkörpers für Solisten, die exakte Phrasierung beherrschen und in ständig neuen Linien, Ketten und Kreisen umeinander schwirren und Sprünge in kurzen Solis hinlegen. Die Tänzerinnen Alicia Amatriain und Ami Morita repräsentierten ideell die beiden Instrumente Flöte (gespielt von  Nathanaël Carré) und Harfe (gespielt von Andrea Berger), während die Herren für das Orchester standen. Mozarts heiteres Stück stellte mit seinen schnellen Sätzen große Herausforderungen an die exakte bewegungsschnelle Umsetzung auf der Bühne. Doch die großartigen Tänzer nahmen die Herausforderung mit Bravour.
 
Sinfonie in C-2_(c) Stuttgarter Ballett.jpg
Sinfonie in C: Elisa Badenes, Matteo Miccini, Moacir de Oliveira, Alessandro Giaquinto
 
   Im „Königreich der Schatten“ aus La Bayadère (die Tempeltänzerin) hatte mit Ludwig Minkus ein Kenner der handwerklichen Anforderungen für verschiedene Tanzstile die Musik geschrieben. Seine Ballettmusik orientierte sich an Tempo und Charakter bis zur Zahl der Takte an Libretto und Duktus der Vorgaben. Sie kommt höfisch beschwingt wie ein Wiener Walzer daher und hat Anklänge an Blasmusikkapellen. Vielleicht entbehrt sie der romantischen Größe eines Tschaikowsky, doch auf ihrer sicher tragenden Textur bewegten sich die Tänzer virtuos. Das Bühnenbild von Jadwiga Maria Jarosiewicz, adaptiert von Gong Xun zeigte eine nächtliche Kulisse mit Mondschein vor einer jenseitigen Tempelanlage. Über eine schräge Rampe schweben nach und nach die Tempeltänzerinnen im weißen Tutu ein. Die Choreographie ist von Natalia Makarova nach Marius Petipa. Beeindruckend groß ist das Corps de Ballet, das sich im Raum formiert. Die Rolle der Tempeltänzerin Nikija hat die Solistin Elisa Badenes. Die Tempeltänzerinnen sind Geisterwesen aus einer paradiesisch-harmonischen Welt eines Elysiums. Der Kriegsheld Solor, Adhonay Soares da Silva, ist der einzig Untote im Reich der Unterwelt. Großartige Sprünge legt er in absoluter Perfektion hin und landet standsicher auf dem Boden. In einer eindrucksvollen Szene sucht er seine tote Geliebte Nikija mit einem weißen Schleier zu umgarnen. 
 
   Die Sinfonie in C von Georges Bizet in einer Choreographie von George Balanchine bildete den Schlussakt des Abends. Mit 17 hatte der Komponist die kleine Komposition geschrieben, die erst nach seinem Tod wiederentdeckt wurde. Die vier Sätze wurden von wechselnden Solisten mit Halbsolisten und Corps de Ballet mit viel Spitzentanz und Figuren aufgeführt. Die Tänzer kontrastierten in schwarzen Kostümen mit den weißen Ballettkostümen der Damen. Hatte der Zuschauer bei den Darbietungen der Solisten manchmal fast den Eindruck, dass die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft gesetzt wurden, wurde man durch kleine Patzer im Ensemble wieder gewahr, dass hinter all der scheinbaren Leichtigkeit viel Mühe und Training steckt. Der Ballettliebhaber mit klassisch-nostalgischer Ader kann sich in einem langen Tagtraum dem endlosen ästhetischen Erleben hingeben. Wenn er aufwacht, reibt er sich etwas ermüdet von all den schönen Bildern die Augen.
 
Helga Widmaier
 
Info: Nächste Aufführungen am 23. (14 und 19 Uhr) /25./28./30./31.12.; Kartentelefon: 0711 202090, online direkt im Spielplan www.stuttgarter-ballett.de
 
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